Der etwas andere Osterspaziergang führt vorbei an einstigen Stätten der
Schwerindustrie in der Boy, Karnap und Gladbeck. Die Route gehört zum
"after work"-Angebot des Bottroper Wandervereins
Dieses Angebot war von Anfang an ein Erfolg: 2017 hat der Sauerländische
Gebirgsverein Bottrop seine "after work"-Wanderungen eingeführt. Seither
treffen sich jeden Monat zwischen April und Oktober Wanderfreunde und
Spaziergänger an zentralen Treffpunkten zu zweistündigen geführten
Rundgängen. Zu Ostern hat Wanderführer Rainer Franzen, den der Bergbau
einst selbst aus dem Aachener Revier an die Emscher verschlug, einen Weg
gewählt entlang der Boye und vier ehemaligen Zechenstandorten.
An der blauen Boye
Bis zum Ersten Weltkrieg war alles blau an der Boye, dem Grenzbach
zwischen Bottrop und Gladbeck. Mit Rücksicht auf die Bauern hielten die
Zechen den Bach sauber, anders als etwa die Emscher. Doch dann entstanden
im Dreieck zwischen Bottrop, Gladbeck und Karnap immer größere Zechen.
Mathias Stinnes und Graf Moltke waren die ersten, die ihre Abwässer in die
Boye einleiteten. Das Ergebnis beschreibt der Kirchhellener Heimatforscher
Johannes Rottmann so: "Bei jedem starken Regen trat das mit Kohlenschlamm
durchsetzte Wasser, dessen Oberfläche mit einer starken Teerschicht
bedeckt war, über die Ufer und lagerte seine Schlammmassen in die
Niederungen. Die früher in üppigstem Grün stehenden Weideflächen waren
in übel riechende Sümpfe verwandelt, auf denen kein Grashalm mehr wachsen
konnte."
Auf der Spur des Strukturwandels
Eine der ersten Leistungen der Emschergenossenschaft war damals die
Regulierung des Emschersystems. Die größte Aufgabe heute ist der fünf
Milliarden Euro schwere Umbau des Emschersystems. Der zentrale Emscherkanal
nimmt das Abwasser auf, die Emscher und ihre Zuflüsse wie die Boye werden
renaturiert. So wird die Boye-Tour zu einem Spaziergang auf der Spur des
Strukturwandels.
Vom Boyer Markt aus hält Wanderführer Rainer Franzen Südostkurs. Auf dem
Ostermann-Parkplatz zeugen zwei Schachtdeckel (Protegohauben) vom kurzen
Leben der Zeche Vereinigte Welheim (1910 bis 1931). Über einen Fußweg und
eine Bahnunterführung gelangen die Wanderer direkt in die Gartenstadt
Welheim, von 1914 bis 1923 für die Kumpel von "Vereinigte Welheim"
hochgezogen. Nach der Sanierung in den 90er Jahren sind die Wohnungen
attraktiv und begehrt, berichtet Franzen. Aber: "Früher lebten hier
Familien auf 35 Quadratmetern."
Im Mathias-Stinnes-Land
Über Im Sundern und Gungstraße führt der Weg Richtung Karnap, fast genau
ein Jahrhundert lang Mathias-Stinnes-Land (1872 bis 1972). Von "Ente"
Lippens' Restaurant "Mitten im Pott" führt ein Wanderweg entlang der Boye
nach Norden. Am Fuß der Halde 19 machen die Wanderer Pause.
Von der Heringstraße verläuft der Wanderweg "BB" (steht das wohl für die
blaue Boye?) über einen Teil des Vestischen Höhenweges Richtung
Mottbruchhalde. Ihr Anblick löst begehrliches Augenfunkeln aus bei der
Fraktion der Profi-Wanderer. Hoch auf die Halde - das wäre doch mal ein
Etappenziel? Wanderführer Franzen winkt ab: "Heute nicht. Wartet ab, bis
die 'Halde im Wandel' fertig ist."
Deshalb lassen die Wanderer die Halde rechts liegen und werden vor der
Rücküberquerung der B224 mit einem Bild belohnt, das Strukturwandel live
zeigt: Aus einer Betonrinne schießt der Wittringer Mühlenbach in ein
naturnahes Bett und sucht sich unter der Brücke des Wanderweges gemächlicher
seinen Lauf. So soll die Boye auch mal fließen, wenn die Emschergenossenschaft
mit ihr fertig ist. Seit 2017 führt sie kein Abwasser mehr. Ihr neues Bett
liegt nicht mehr auf der Grenze, sondern in Gladbeck.